Wie berichtet/analysiert man einen Nicht-Zusammenhang?

Fragen und Diskussionen rund um die Statistik und deren Anwendung.
emge
Beiträge: 9
Registriert: 06.04.2009, 11:52

Wie berichtet/analysiert man einen Nicht-Zusammenhang?

Beitrag von emge »

Hallo,

ich hatte ursprünglich vor in meiner Magisterarbeit den Zusammenhang zwischen Gesundheit und sozialer Schicht nachzuweisen.
Aus verschiedenen Gründen zeigen sich in den Assoziationsmaßen nur Zusammenhänge der Stärke <0,1, zudem sind diese nicht signifikant.

Nun sehe ich mich in der völlig neuen Situation einen "fehlenden" Zusammenhang zu berichten.
Wie kann ich meine Behauptung eines "Nicht-Zusammenhangs" (welche natürlich lediglich eine Vermutung bleiben muss) einigermaßen wasserdicht belegen?

Bisher habe ich lediglich Kreuztabellen und die Assoziationsmaße Chi Quadrat und Cramers V bzw. Phi mit dazugehörigen Signifikanzetests berechnet.
Welche Analysen könnte ich noch durchführen?
Mit Literatur komme ich gerade nicht weiter, weil dort ja meist ein Zusammenhang und darauf aufbauende Analysen berichtet werden.

Es handelt sich hauptsächlich um nominale Variablen, n beträgt 740 Fälle.

Ich hoffe ihr könnt mir ein paar Anstöße geben.
Noonen
Beiträge: 818
Registriert: 26.09.2006, 14:52

Re: Wie berichtet/analysiert man einen Nicht-Zusammenhang?

Beitrag von Noonen »

hallo
emge hat geschrieben:Wie kann ich meine Behauptung eines "Nicht-Zusammenhangs" (welche natürlich lediglich eine Vermutung bleiben muss) einigermaßen wasserdicht belegen?
du musst das fehlen eines zusammenhangs nicht belegen. mit dem verwerfen der alternativhyp. ist er bereits 'belegt' bzw. die hyp.testung geht ja davon aus, dass es keinen zusammenhang gibt (null-hyp).
insofern erübrigen sich weitere stat. analysen. allerdings solltest du analysieren, was die gründe sein könnten, dass die h1 verworfen werden musste. es gibt inhaltliche gründe, evt. passierten fehler in der datenerhebung; die auswahl der stichprobe könnte diskutiert werden, der versuchsplan, etc. etc.

gruss
patrick
emge
Beiträge: 9
Registriert: 06.04.2009, 11:52

Beitrag von emge »

ja, das hatte ich sowieso vor.

Inhaltich geht es darum den Zusammenhang von subjektiver Gesundheit und Schichtzugehörigkeit nachzuweisen. Da dieser Zusammenhang vielfach belegt wurde, muss ich schon sehr genau diskutieren woran es liegen könnte, dass er sich bei mir nicht zeigt.

Die Daten wurden in der DDR erhoben, daraus ergeben sich schon viele mögliche Gründe. Des weiteren kann man einige Sachen in der Operationalisierung, Stichprobenerhebung, Itemkonstruktion etc. einbeziehen.

Wenn ich dich richtig verstanden habe meinst du, dass eine solche Diskussion tatsächlich nicht mehr empirische Fakten/ Analysen als Grundlage benötigt als (beispielsweise) Cramers V und die Nichtsignifikanz?!
oegi
Beiträge: 81
Registriert: 18.08.2008, 13:23

Beitrag von oegi »

Hallo zusammen,

interessante Sache. Meines Erachtens spricht ein nicht-signifikantens Ergebniss nicht dafür (das quasi signifikant) vonn der H0 ausgegangen werden kann.
Siehe hierzu Bortz & Döring (2006): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Springer Medizin Verlag. Seite 27:

"Ein nicht signifikantes Ergebnis darf nicht als Beleg für die Richtigkeit der Nullhypothese interpretiert werden"

siehe weitergehend Seite 650:
"(...) Gelegentlich ist jedoch die traditionelle Nulhypothese (H00) die Forschungs- bzw. 'Wunschhypothese'. Damit taucht die Frage auf, ob bzw. wie man eine Nullhypothese 'bestätigen' kann. Hierzu muss konstatiert werden, dass leider immer wieder irrtümlicherweise behauptet wird, ein nicht signifikantes Ergebnis sei ein Beleg für die Gültigkeit einer Nullhypothese. Diese Auffassung ist falsch (siehe hierzu Bortz 2005, S.118). Ist ein Unersuchungsergebniss nicht signifikant, muss gefolgert werden, dass die Untersuchung (...) nicht geeignet ist, über die Gültigkeit der statistischen Hypothesen eine zuverlässige Aussage zu machen."

Bortz & Döring machen weitergehend Vorschläge wie damit umzugehen ist (S. 651ff)

Bsp.: "Ein nichtsignifikantes Ergebnis kann als Beleg für die Richtigkeit von H00 akzeptiert werden, wenn das Beta-Fehler Risiko für diese Entscheidung gering ist (z.B. Betta=0,05) und wenn für die Alternativhypothese ein kleiner, zu vernachlässigender Effekt festgelegt wird. (Seite 651)"

im weiteren wird darauf eingeganen wie Korrelationen, etc. auf die Nullhypothese geprüft werden können.

Soviel dazu.

Ich habe jedoch in meiner Abschlussarbeit auch eine Nullhypothese geprüft und bin genauso vorgegangen, dass ein minimaler Effekt und ein hoher alpha-Fehler für die Nullhypothese sprach :oops:. Hat niemand gemerkt bzw. gestört 8) :lol: ... Von daher vielleicht auch etwas zu vernachlässigen. Obwohl es "bad practice" zu sein scheint.

Was ich jedoch nicht verstehe:

Du überprüfst eine Hypothese. Okay. Nachdem diese nicht signifikant wird willst du in deiner Arbeit die Hypothese so umdrehen (und die Nullhyothese überprüfen), damit du ein signifikantes Ergebniss erhälst???
Das verstehe ich aus zwei Gründen nicht: 1) Ist es wissenschaftsethisch nicht zulässig Hypothesen nach deren überprüfung so zu verändern, dass es passt. 2) Wenn aus der Theorie hervorgeht, dass es einen Zusammenhang gibt, würde ich bei nicht 100%iger Sicherheit und Vertrauen davon absehen zu schreiben dass es keinen zusammenhang gibt.
Somit: Warum willst du überhaupt so verfahren? Ist es nicht klüger die Hypothese so zu lassen wie sie ist und dann schreiben, dass sich kein signifikanter Zusammenhang/Unterschied zeigte. Anschließend begründen warum das sein könnte... BlaBlaBla...

Ich würde das zumindest so machen.

Viele Grüße
oegi
emge
Beiträge: 9
Registriert: 06.04.2009, 11:52

Beitrag von emge »

Vielen Dank für den interessanten Literaturtipp.

Ad hoc würde ich dazu sagen: man kann die Nullhypothese in meinem Fall nicht als bewiesen ansehen. Man kann sie lediglich nicht verwerfen.

Ich habe mich wahrscheinlich mißverständlich ausgedrückt. Ich möchte meine Anfangshypothesen, welche einen Zusammenhang postulieren nicht verändern.
Ich möchte genauso vorgehen, wie du es vorgeschlagen hast.
Im Diskussionsteil werde ich beide Möglichkeiten diskutieren
a) warum sich der Zusammenhang in meinen Daten nicht zeigt (methodische Mängel, ungeeignete Stichprobe usw.)
b) diskutieren ob es möglich wäre, dass es tatsächlich keinen Zusammenhang gibt.

Letztendlich kann ich weder von der Nullhypothese ausgehen noch von der Alternativhypothese. Eine Herausforderung für den Diskussionsteil, dafür bin ich mit empirischen Analysen entlastet.
Noonen
Beiträge: 818
Registriert: 26.09.2006, 14:52

Beitrag von Noonen »

oegi - danke für die differenzierten ausführungen!

habe mir auch die frage gestellt, warum man einen zusammenhang testen will, den man aus der literatur bereits als gesichert ansehen kann. aber evt. wurden andere/neue/.... aspekte einbezogen.

grüsse
patrick
emge
Beiträge: 9
Registriert: 06.04.2009, 11:52

Beitrag von emge »

Richtig, der Zusammenhang gilt an sich als gesichert.
Das besondere meiner Arbeit war erstens ihn anhand der subjektiven Gesundheit nachzuweisen und zweitens ihn in der DDR der 70er Jahre zu zeigen.
oegi
Beiträge: 81
Registriert: 18.08.2008, 13:23

Beitrag von oegi »

Ad hoc würde ich dazu sagen: man kann die Nullhypothese in meinem Fall nicht als bewiesen ansehen. Man kann sie lediglich nicht verwerfen.
So hätte ich das auch ausgedrückt.

a) warum sich der Zusammenhang in meinen Daten nicht zeigt (methodische Mängel, ungeeignete Stichprobe usw.)
b) diskutieren ob es möglich wäre, dass es tatsächlich keinen Zusammenhang gibt.
Halte dich zurück evtl. methodische Mängel in den Vordergrund zu stellen. Du willst ja auch ne gute Note für die Arbeit :wink:
In deinen Daten zeigt sich halt eben einfach kein Zusammenhang wie in bisherigen Studien was auch mehrere Gründe zurückzuführen ist (nicht nur methodische Mängel!)
Letztendlich kann ich weder von der Nullhypothese ausgehen noch von der Alternativhypothese.
So verstehe ich den Bortz auch.
oegi - danke für die differenzierten ausführungen!
No Problemo, weiß gerade eh nicht was tun, da ich krank (vermutlich mit der Schweinegrippe 8) 8) ) rumliege.... :D
oegi
Beiträge: 81
Registriert: 18.08.2008, 13:23

Beitrag von oegi »

Noch ne Frage:

Wieso hast du eine Assoziationsmaß (ich denke mal Cramers V??) verwendet?

Ich wäre jetzt so plump mal von einem linearen Zusammenhang (also kein Assoziationsmaß sondern Zusammenhangsmaß) zwischen Gesundheit und sozialer Schichtzugehörigkeit ausgegangen!

Grüße
oegi
emge
Beiträge: 9
Registriert: 06.04.2009, 11:52

Beitrag von emge »

welches Maß würdest du denn empfehlen?

Meine Überlegung ging vom Skalenniveau aus:
nominale: Cramers V und/oder Kontingenzkoeffizient C
bei den wenigen ordinalen, die ich habe: Spearman Korrelation.
oegi
Beiträge: 81
Registriert: 18.08.2008, 13:23

Beitrag von oegi »

ach okay, so einfach hätte ich auch denken können :D

Dachte alles wäre ggf. intervallskaliert.

Grüße

P.S.:
Was du vielleicht noch prüfen könntest ob sich die Daten voneinander unterscheiden.

Hypothese: Die verschiedenen sozialen Schichten unterscheiden sich hinsichtlich ihres subjektiven Gesundheitszustandes.

Dann soziale Schicht kategorisieren (was es wahrscheinlich eh schon ist) und mittels U-Test (bei zwei sozialen Schichten) oder H-Test (bei mehreren sozialen Schichten) rechnen lassen. Subjektive Gesundheit muss ordinalskaliert sein. Würde mich interessieren ob sich da was zeigt.

Will dich da aber nicht aus dem Konzept bringen.
emge
Beiträge: 9
Registriert: 06.04.2009, 11:52

Beitrag von emge »

Hallo,

danke für den Tipp (nach genau solchen Vorschlägen habe ich gesucht,wirkt natürlich nciht schlecht wenn ich dem Prof zeigen kann, dass ich mir wirklich Gedanken gemacht habe).
Ich habe einen U-Test durchgeführt und die Ergebnisse sind ähnlich katastrophal nicht signifikant wie beim Chi Quadrat Test.

Ich denke, ich kann also wirklich davon ausgehen, dass ich mit meiner Stichprobe (allerdings merküwrig bei n = 640 in einer Zufallsstichprobe...) bzw. den Methdoen des Fragebogens den Zusammenhang nicht nachweisen bzw. beweisen kann.
oegi
Beiträge: 81
Registriert: 18.08.2008, 13:23

Beitrag von oegi »

Für den U-Test hast du vermutlich Ober- und Unterschicht kategorisiert? H-Test geht dann mit mehreren Kategorien (bspw. Ober-, Mittel- und Unterschicht).

Seltsam, wie war den das p?
oegi
Beiträge: 81
Registriert: 18.08.2008, 13:23

Beitrag von oegi »

Na gut kann ggf. tatsächlich so sein. Wenn ich richtig weiß gab es in der DDR ein sehr stringentes Gesundheitssystem. Waren da nicht auch Untersuchungen (bspw. die U's wie momentan in der Diskussion) Pflicht? Vielleicht zeigen sich diese heute eigentlich bekannten Unterschieden bei der ehemaligen Bevölkerung der DDR nicht (nur vorsichtig mit solchen Aussagen, da diese ja die Nullhypothese bestätigen, was wie oben besprochen nicht zulässig ist). Daher immer am Besten das Wort "könnte" oder "könnte so sein" verwenden.

Grüße und viel Erfolg bei der Arbeit!
emge
Beiträge: 9
Registriert: 06.04.2009, 11:52

Beitrag von emge »

Ich habe für den U Test die Schichten erst mal zum probieren lediglich nach niedriger Bildung und höherer Bildung dichotom kategorisiert (die Zuordnung zu Schichten ist in der DDR allgemein sehr schwierig).
Es ergab sich p=0,4....
Ich werde das noch mit anderen Variablen versuchen und auch mit dem H Test, allerdings erwarte ich keine großen Differenzen zum Chi Quadrat Test.

Ich werde im Diskutissionsteil auf methodische Probleme eingehen und auf die Möglichkeit, dass es tatsächlich keinen Zusammenhang gab (das mit dem niederschwelligen Gesundheitssystem ist vollkommen richtig und könnte ein Grund sein).

Mein Betreuer meinte heute ich solle durch multivariate Verfahren Supressoreffekte aufdecken. Habe ich das ausreichend ausgeschlossen, wenn ich beispielsweise das Alter mit in eine Regressionsanalyse gepackt habe? Oder wie könnte man das noch machen?
Anzeige:Statistik und SPSS: Die besten Bücher
Als Buch oder E-Book - Jetzt bestellen
spss datenanalyse
SPSS - Moderne Datenanalyse - Jetzt bestellen!
statistik datenanalyse
Statistik - Der Weg zur Datenanalyse - Jetzt bestellen!
Antworten