Intention-to-treat-Analyse

Fragen und Diskussionen rund um die Statistik und deren Anwendung.
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ThePhilosopher
Beiträge: 50
Registriert: 15.06.2009, 17:02

Intention-to-treat-Analyse

Beitrag von ThePhilosopher »

Hallo,

kann mir jemand sagen, wie ich genau bei einer Intention-to-treat-Analyse vorzugehen habe? Der theoretische Hintergrund, also die Gründe, warum ich eine solche durchführen muß, ist mir schon relativ klar, aber wie gehe ich dabei vor?

Angenommen, die Probenden meiner Studie haben eine Intervention durchlaufen und es soll die Zufriedenheit der Pbn vorher/nachher überprüft werden. Wenn ich jetzt nur die Pbn einbeziehe, die die gesamte Intervention durchlaufen haben, fallen natürlich diejenigen unter den Tisch, die - aufgrund von z.B. Unzufriedenheit mit der Intervention - abgebrochen haben. Wie muß ich nun diese Drop-out-Pbn in die Berechnungen einbeziehen? Nehme ich da pauschal immer die niedrigsten Werte (also max. Unzufriedenheit) einfach an?

Wäre prima, wenn mir eine(r) von euch dabei helfen könnte :)

LG
TP
Silversurfer
Beiträge: 165
Registriert: 05.07.2009, 21:10

Beitrag von Silversurfer »

Es gibt mehrere Möglichkeiten die Missings von Drop Outs zu ersetzen, damit man am Schluss die Daten gemäß dem Prinzip deiner Analyse auswerten kann. Eine der häufigsten Methoden in der klinischen Prüfung ist dabei die sog. "last value carried forward"-Methode. Hierbei wird der letzte bekannte Wert einer Person, die später ausgedropt ist, für alle darauf folgenden Erhebungszeitpunkte fortgeschrieben, als wäre ihr Zustand bezüglich der verschiedenen Variablen seit der letzten tatsächlichen Messung unverändert geblieben.
ThePhilosopher
Beiträge: 50
Registriert: 15.06.2009, 17:02

Beitrag von ThePhilosopher »

heißt das, dass ich, wenn ich z.B. die psychische Belastung im Rahmen der Lebenszufriedenheit vor u. nach der Intervention erhebe, ich, so der Pbn zu den Drop-outs zählt bei der post-Intervention-Erhebung den gleichen Wert (also die gleiche psych. Belastung) wie in der Prä-Erhebung einsetze?

Auf jeden Fall schon mal vielen Dank für deine Antwort!! :-)
LG
TP
Silversurfer
Beiträge: 165
Registriert: 05.07.2009, 21:10

Beitrag von Silversurfer »

Streng nach dem Prinzip bei diesem Vorgehen, ja. Bei einer nur zweimaligen Erhebung im Prä/Post-Design würde das natürlich datenmäßig so aussehen, als hätte sich der Zustand im Vergleich zu vor der Intervention nichts gebracht. Es ist also ein recht konservatives Verfahren. Wie schon gesagt, das ist eine Methode, die v.a. in der klinischen Prüfung eingesetzt wird.

Du kannst es natürlich auch mit einer Mittelwertsersetzung probieren. Damit wird bei der Postintervention eben der durchschnittliche Wert der psychischen Belastung aller vorhandenen Werte für Missings verwendet. Hierzu sollte aber der Prozentsatz der Missingwerte kleiner als 5% sein - sonst verzerrt das die Ergebnisse zu sehr.

Es gibt auch noch weitere Verfahren, diese findet man in jedem einigermaßen guten Statistikbuch oder auch im Internet.
Generalist
Beiträge: 1733
Registriert: 11.03.2010, 22:28

Beitrag von Generalist »

Der Beschreibung zufolge existiert lediglich 1 Gruppe. Eine Mittelwertsersetzung ändert daher nichts am Mittelwert post, erhöht aber die analysierbare Fallzahl künstlich.

Mittelwertsersetzungen sind ohnedies immer verzerrend, da sie die Standardabweichung verringern, daher generell nicht annehmbar.

Eine ITT Analyse könnte sich auch anhand eines dichotomen Kriteriums durchführen lassen. In der Medizin: klinisch relevante Verbesserung beobachtet ja/nein, hier fallen die dropouts unter "nein".
Silversurfer
Beiträge: 165
Registriert: 05.07.2009, 21:10

Beitrag von Silversurfer »

Dichotome Kriterien sind nicht minder problematisch, da doch einiges an Information verloren geht. Zudem hat man das Problem der Cut-Off Setzung.

Für die spätere Publikation solltest du dir in jedem Fall eine gute, schlüssige Begründung für das gewählte Verfahren zum Missingersetz einfallen lassen.
ThePhilosopher
Beiträge: 50
Registriert: 15.06.2009, 17:02

Beitrag von ThePhilosopher »

Prima, das sind doch zumindest schon mal brauchbare Ansätze 8)
1000 Dank für eure Antworten!

LG
TP
Generalist
Beiträge: 1733
Registriert: 11.03.2010, 22:28

Beitrag von Generalist »

Dichotome Kriterien sind nicht minder problematisch, da doch einiges an Information verloren geht.
"Nicht minder" ist falsch. Sie sind eventuell auf andere Art problematisch. In der Medizin ist das sogar eher Pflicht als Option, da es um klinisch relevante Veränderungen geht, nicht um Mittelwertsverschiebungen.
Zudem hat man das Problem der Cut-Off Setzung.
Grundsätzlich ja, aber auch je nachdem. Wenn man den Standard-Messfehler der AV hat, kann man zumindest sowas wie "reliable Veränderung" bestimmen. Oder wenn explizit Kriterien für dysfunktional versus normal-gesund bestehen, kann man bisweilen auch sagen: in den gesunden Bereich gekommen ja/nein.
Silversurfer
Beiträge: 165
Registriert: 05.07.2009, 21:10

Beitrag von Silversurfer »

Prima, schön, dass du die Antworten gefunden hast, die du gesucht hast!
ThePhilosopher
Beiträge: 50
Registriert: 15.06.2009, 17:02

Beitrag von ThePhilosopher »

Hello again,

macht die LOCF-Methode eigentlich auch Sinn, wenn ich zw. 2 Erhebungszeitpunkten eine Subgruppenanalyse mache? Im Konkreten, wenn ich eine Gruppe depressiver u. eine nichtdepressiver Vpn habe und sehen will, ob sich deren körperl. Belastung von T1 nach T2 hin unterschiedlich verändert hat (indem ich den Wert von T2 von dem von T1 abziehe). Die Mittelwertdifferenz wäre ja bei allen Dropouts dann Null. Würde das trotzdem Sinn machen? Die Hypothese wäre, Depressive haben durch die Intervention (die beide Gruppen durchlaufen haben) einen größeren Rückgang an körperl. Symptomen als nichtdepressive, selbst, wenn ich die Dropouts (die sich ja nicht verbessern) mit einbeziehe.

LG
TP
Silversurfer
Beiträge: 165
Registriert: 05.07.2009, 21:10

Beitrag von Silversurfer »

Da der gleiche Grundsatz für beide Gruppen gilt, würde ich sagen ja. Wenn's mehr Dropouts bei Depressiven gab, muss das eben entsprechend begründet werden.
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