Hallo zusammen,
ich werte zur Zeit einen selbsterstellen Fragebogen aus, der u.a. 5-stufige-Likert-Skalen verwendet. Diese sind nach den vorgeschlagenen Ausprägungen von Rohrmann 1978 aufgebaut (außerordentlich = 4, ziemlich = 2, mittelmäßig = 0, kaum = -2, gar nicht = -4), sodass sie – nach der gängigen Meinung verschiedener Fachrichtungen (z.B. Sozialwissenschaften) – als annähernd intervallskaliert betrachtet werden können. Damit ließen sich bspw. auch t-Tests durchführen.
Da Aufgrund der teilweise gegebenen Verletzung der Normalverteilungsannahme diese Test aber nicht anwendbar sind, wollte ich nun auf nicht-parametrische Tests ausweichen.
Jetzt aber zu meinem Problem: Laut diverser Statistikliteratur setzt bspw. der Wilcoxon- oder auch der Vorzeichentest eine stetige Verteilung der Differenzen zweier abhängiger Variablen voraus. Jetzt ist nur die Frage können die Differenzen von Likert-Variablen stetig verteilt sein? Wenn nicht-parametrische Tests im Allg. nur ordinales Skalenmaß benötigen, die normal nie stetig sind, wie kann dann diese Voraussetzung allg. erfüllt werden? Oder verwechsele ich hier etwas?
Desweiteren noch eine Frage, die eher in den Bereich parametrische Tests fallen würde: Wenn die Annahme der Normalverteilung durch einen Shapiro-Wilk-Test abgelehnt werden muss (z.B. p = 0,001), ich aber ein n > 30 habe, können dann dennoch parametrische Tests (t-Test für verbundene Stichproben) angewendet werden (im Sinne des zentralen Grenzwertsatzes)?
Und noch eine kleine letzte Frage zu den Unterschieden in den Voraussetzungen von Wilcoxon- und Vorzeichentest. Besteht hier nur der Unterschied, dass der Vorzeichentest keine Symmetrie der Verteilung voraussetzt?
Würde mich sehr über Antworten freuen.
Beste Grüße
Julian
Likert-Skala und Nicht-parametrische Tests
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re
Ich möchte nur auf einen Aspekt antworten.
Mit der Frage der Ausgangsvoraussetzungen (z.B. der Normalverteilung) im Einsatz parametrischer Verfahren und hier insbesondere mit den Verlusten der Effizienz (Stichwort: ARE) haben sich viele Autoren beschäftigt. Wenn ich nur mal das Literaturverzeichnis von Büning [1] durchgehe, dann sind das die Seiten 303-327.
Wenn ich das in seinen Seminaren einst richtig verstanden habe, gelten einige parametrische Verfahren (bspw. t-Test) als "robust" gegen Verletzungen der Normalverteilungsvoraussetzung. Allerdings hängt es dann von der konkreten Verteilung ab (Cauchy-Verteilung kann wohl kein parametrisches Verfahren vertragen).
NP-Methoden (-Verfahren) -auch hier gibt es schon Differenzen in der Begrifflichkeit (ich benutze die Begriffe hier einfach mal synonym)- hingegen basieren oft auf Rängen. Ränge sind völlig unabhängig von der primären Verteilung aus der sie berechnet werden. Problematisch sind Rangbindungen. Das betrifft z.B. den U-Test. Daher die widersinnig erscheinende Empfehlung, gerade bei Verwendung von NP Methoden (Verfahren) wie dem U-Test die Daten so genau wie möglich zu erheben.
Allerdings sind NP Verfahren in Einzelfällen mit parametrischen Verfahren sogar identisch, wenn diese über die Ränge der Daten gerechnet werden. Bei Bortz, Lienert und Boehnke [2] z.B. findet sich die Herleitung des Zusammenhangs von Spearman rho und der auf Rangwerte angewendete Bravais-Pearsons r.
Für Vergleiche von t-Test <-> U-Test und H-Test <-> Fishers Varianzanalyse gilt das wohl nicht. Allerdings kann man über sog. Montecarlo Methoden zeigen, dass die auch nicht weit auseinanderliegen, wenn die parametr. Verf. über die Ränge gerechnet werden.
Resümee: Dass man keine parametr. Meth./Verf. rechnen kann, nur weil der KSO-Test (oder andere vielleicht sensitivere Tests) ein p<0,05 ergeben, ist in der realen Empirie vielleicht so, als ob eine Prinzessin die ganze Nacht nicht schlafen kann, weil unter ihrem Bette eine Erbse lag. Wer mit „Cauchy-coloured glasses“[3] zu Bette geht, der wird wohl nie zur Ruhe kommen.
Gruß
[1] Büning,H.: Robuste und adaptive Tests. De Gruyter Verlag
[2] Bortz, Lienert, Boehnke: Verteilungsfreie Methoden in der Biostatistik (1990 S.414)
[3] Der Begriff stammt aus der Kritik von Stigler (1977) gegenüber Andrews (1972). Zitiert nach Büning ebd. S.5.
Mit der Frage der Ausgangsvoraussetzungen (z.B. der Normalverteilung) im Einsatz parametrischer Verfahren und hier insbesondere mit den Verlusten der Effizienz (Stichwort: ARE) haben sich viele Autoren beschäftigt. Wenn ich nur mal das Literaturverzeichnis von Büning [1] durchgehe, dann sind das die Seiten 303-327.
Wenn ich das in seinen Seminaren einst richtig verstanden habe, gelten einige parametrische Verfahren (bspw. t-Test) als "robust" gegen Verletzungen der Normalverteilungsvoraussetzung. Allerdings hängt es dann von der konkreten Verteilung ab (Cauchy-Verteilung kann wohl kein parametrisches Verfahren vertragen).
NP-Methoden (-Verfahren) -auch hier gibt es schon Differenzen in der Begrifflichkeit (ich benutze die Begriffe hier einfach mal synonym)- hingegen basieren oft auf Rängen. Ränge sind völlig unabhängig von der primären Verteilung aus der sie berechnet werden. Problematisch sind Rangbindungen. Das betrifft z.B. den U-Test. Daher die widersinnig erscheinende Empfehlung, gerade bei Verwendung von NP Methoden (Verfahren) wie dem U-Test die Daten so genau wie möglich zu erheben.
Allerdings sind NP Verfahren in Einzelfällen mit parametrischen Verfahren sogar identisch, wenn diese über die Ränge der Daten gerechnet werden. Bei Bortz, Lienert und Boehnke [2] z.B. findet sich die Herleitung des Zusammenhangs von Spearman rho und der auf Rangwerte angewendete Bravais-Pearsons r.
Für Vergleiche von t-Test <-> U-Test und H-Test <-> Fishers Varianzanalyse gilt das wohl nicht. Allerdings kann man über sog. Montecarlo Methoden zeigen, dass die auch nicht weit auseinanderliegen, wenn die parametr. Verf. über die Ränge gerechnet werden.
Resümee: Dass man keine parametr. Meth./Verf. rechnen kann, nur weil der KSO-Test (oder andere vielleicht sensitivere Tests) ein p<0,05 ergeben, ist in der realen Empirie vielleicht so, als ob eine Prinzessin die ganze Nacht nicht schlafen kann, weil unter ihrem Bette eine Erbse lag. Wer mit „Cauchy-coloured glasses“[3] zu Bette geht, der wird wohl nie zur Ruhe kommen.
Gruß
[1] Büning,H.: Robuste und adaptive Tests. De Gruyter Verlag
[2] Bortz, Lienert, Boehnke: Verteilungsfreie Methoden in der Biostatistik (1990 S.414)
[3] Der Begriff stammt aus der Kritik von Stigler (1977) gegenüber Andrews (1972). Zitiert nach Büning ebd. S.5.
drfg2008